Grußwort von Martin Pantke
Dîner Amical 22. Januar 2022
70 Jahre Deutsch-Französische Freundschaft
Liebe Frau Kelliger,
Mesdames et Messieurs,
ich bedanke mich bei der Deutsch-Französischen Gesellschaft sehr herzlich für die Einladung und freue mich mit Ihnen, dass das festliche Dîner Amical mit seinen kulinarischen und kulturellen Leckerbissen in diesem Jahr wieder so stattfinden kann, wie wir es gewohnt sind. Zumal es ja auch die Auftaktveranstaltung in ein besonderes Jahr ist, nämlich das Jubliläumsjahr des 70-jährigen Bestehens der Deutsch-Französischen Gesellschaft Paderborn. Darüber hinaus ist 2022, wenn man so will, das Vorjubiläumsjahr der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages im Jahre 1963.
Siebzig Jahre Deutsch-Französische Gesellschaft, das ist ein Jubiläum, auf das man zu Recht stolz sein kann. Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger haben sich in diesen sieben Jahrzehnten für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich eingesetzt und haben für die Partnerschaft zwischen Paderborn und Le Mans gearbeitet. Ein enges Band aus persönlichen Begegnungen, Freundschaften und institutionellen Beziehungen mit Frankreich und Le Mans ist geknüpft worden, getragen von gegenseitiger Wertschätzung und dem beiderseitigen Interesse an der Wirtschaft, der Politik und vor allem der Kultur des Nachbarlandes.
Für jede neue, junge Generation ist die enge Verbundenheit zwischen den Ländern zum Glück zur Normalität geworden. Gleichzeitig wächst aber auch die Distanz zu den Entstehungs- und Gründungsjahren und zur Genese dieser Freundschaft. Um den Stellenwert dieses Freundschaftsbandes in seiner historischen Bedeutung ermessen zu können, scheint es mir deshalb immer wieder wichtig, sich die historische Kulisse vor Augen zu führen, vor der sowohl die Gründung der Deutsch-Französischen Gesellschaft wie auch die Unterzeichnung des Élysée-Vertrages stattgefunden haben.
Dem nationalistischen Topos der Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich, den kollektiven Erfahrungen und Erinnerungen der Urkatastrophe 1. Weltkrieg, diesem Loch aus Dreck und Blut und Dummheit, wie der Schriftsteller André Breton den Krieg nannte, schließlich dem Leid durch Krieg, Besatzung und Terror nach 1939, all dem ist durch das Engagement vieler Menschen eine Epoche der Verständigung und des Respekts, der Kooperation und beiderseits gelebten Freundschaft entgegengesetzt worden. Wer hätte das nach 1945 zu hoffen gewagt. Wer hätte das auch nach dem 22. Januar 1963 so erfolgreich erwartet.
Sicher ist diese Entwicklung das Verdienst der großen Politik durch Verträge wie den Élysée-Vertrag und die europäischen Einigungsverträge, verbunden mit Namen wie Schumann, de Gaulle und Adenauer, Schmidt und Giscard, Kohl und Mitterand. In ganz besonderem Maße ist dieser Prozess der Annäherung aber auch das Verdienst der Deutsch-Französischen Gesellschaften bundesweit und der Gesellschaft hier vor Ort, das Verdienst der kommunalen Städtepartnerschaften, im Besonderen der zwischen Paderborn und Le Mans. Eine Städtepartnerschaft, die von vielen Akteure aus der Zivilgesellschaft in den beiden Städten getragen wurde und wird. Das ist nicht alles Schnee von gestern, der Blick auf das Gewordenensein schärft den Blick für die Gegenwart.
Auch im Hinblick auf unsere anderen Städtepartnerschaften muss man sich der historischen Kontexte immer bewusst sein und bedenken, dass es zuallererst im deutschen Interesse war, dass die ausgestreckte Hand angenommen wurde und Freundschaft entstanden ist, etwa wenn Irritationen über manche Entwicklungen im Partnerland oder in der Partnerstadt dazu führen, dass allzu schnell nach einem Ruhen einer Städtepartnerschaft gerufen wird. So wie dies vor einigen Monaten ja auch im Paderborner Stadtrat diskutiert wurde. Freundschaft hält durchaus auch Differenzen und unterschiedliche Standpunkte aus. Es gilt gerade in einem Europa mit starken Fliehkräften auf der kommunalen und der persönlichen Ebene zusammenzubleiben.
Die Deutsch-Französische Gesellschaft Paderborn setzt sich seit 70 Jahren in unserer Stadt für die deutsch-französische Verständigung ein. Ihr vornehmes Ziel ist es, das Interesse an unserem Nachbarland mit seinen vielfältigen Facetten zu wecken. Darüber hinaus stärkt die Deutsch-Französische Gesellschaft die Städtepartnerschaft mit Le Mans und sie gestaltet nicht zuletzt das kulturelle Leben in Paderborn maßgeblich mit, wie das ja auch im neuen Programm wieder deutlich wird. Für das erfolgreiche Engagement sei dem Vorstand und sei allen Mitgliedern herzlich gedankt. In den 55 Jahren der Jumelage sind vielfältige Beziehungen entstanden, zwischen Schulen und Universitäten, zwischen Vereinen, um nur einige zu nennen. Paderborn ist weltoffen und international durch seine Bürgerinnen und Bürger, aber eben auch durch seine internationalen Beziehungen und seine Twin Towns.
Gerade den Schulpartnerschaften kommt dabei nach wie vor große Bedeutung zu. In unserer Stadt hatten nahezu alle Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen Partnerschaften mit Schulen in Le Mans. Wir alle wissen, dass sich das ein wenig verändert hat. Die Fortführung und die Intensität von gegenseitigen Besuchen hängt von vielen Aspekten ab. Davon, ob die jeweiligen Fremdsprachen weiter attraktiv bleiben, ob der Staffelstab der Begeisterung in den Schulen weitergereicht werden kann und nicht zuletzt davon, ob auch entsprechende Arbeitszeitressourcen für die Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen. Ich hoffe, dass nach den Einschränkungen der Pandemie nicht Resignation folgt, sondern vielmehr mit Elan weiter geplant und organisiert wird nach dem Motto: Endlich können wir uns wieder besuchen. Allen Lehrerinnen und Lehrern, die neben ihrem Dienst bisher schon diese Arbeit übernommen haben und die das in der Zukunft weiterführen, ein herzlicher Dank von dieser Stelle aus.
Die kommende Wahl in Frankreich spiegelt sich ebenfalls im neuen Programm der Gesellschaft. Man darf gespannt sein, welches Ergebnis Prof. Meunier zu analysieren haben wird. Das Jahr ist jung genug, um sich noch etwas wünschen zu dürfen: Mögen Rechtsradikalismus und nationalistische Strömungen ihr verdientes Ende in Schande finden, mögen die Worte Emanuel Macrons im EU-Parlament und mögen die europapolitischen Ziele des Ampel-Koalitionsvertrages wie auch immer zueinander finden und vor allem mögen den Worten Taten folgen.
In diesem Sinne: Vive la France, vive l`Allemagne, vive l`Europe!
Uns allen einen schönen Abend.